Lauschbar 47 31. Januar 2010

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Kreidler: Mosaik 2014 (Italic/Kompakt) 2.10.2009
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Das letzte Album "Eve Future Recall" des seit 1994 bestehenden Künstler-Kollektivs aus Düsseldorf war eine wunderbare Symbiose aus Rhythmus und Wohlklang (s.Archiv), und bescherte mir eines der persönlichen musikalischen Höhepunkte des Jahres 2004.
Seitdem sind 5 Jahre ins Land gegangen, in denen sich die Bandmitglieder mehr ihren Nebenprojekten widmeten. Entsprechend gespannt war ich, als ich die Ankündigung des nun vorliegenden neuen Albums las. Und die Erwartungen wurden nicht enttäuscht: wieder ist ihnen ein zeitloses Kunstwerk gelungen, das einerseits, wie schon der Vorgänger, von polyrhythmischen perkussiven Effekten geprägt ist, andererseits aber auch wieder mehr Synthesizer-Flächen und -sounds aufweist. Die allesamt rein instrumentalen Stücke sind kompositorisch eher schlicht gehalten und leben stattdessen von sich subtil abwechselnden Groove-Mustern sowie raffiniert eingesetzten elektronischen Sounds und Effekten.
Eine perfekte Mischung aus Electronica-Avantgarde (Kraftwerk) sowie Kraut- und Postrock (Tortoise, Trans Am).
  ↑  Various Artists: Black Hole Vol.1 (Minor Label) 1.11.2009
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Dass die Universitätsstadt Ilmenau eine äußerst lebendige Musikszene besitzt (s. Baracke 5 e.V.), dürfte sich ja schon herumgesprochen haben; dass dabei insbesondere der Electro(nic) Underground mit einigen kreativen Köpfen sehr gut vertreten ist, vielleicht schon weniger. Mit dem vorliegenden Sampler kann man sich darüber nun einen guten Überblick verschaffen. Vertreten sind so klanghafte Namen wie Heidimaschine, die Eiligen Drei Könige, Melanie Flug, Tumult und Floppy. Der Sampler deckt ein breites Spektrum elektronischer Musik von Ambient, Electro, Techno über Industrial bis Break Core ab.
Das sehr schöne Artwork wurde vom Ilmenauer Künstler Nootoon gestaltet, der auch mit einem Track vertreten ist.
Den Sampler kann man für schlappe 7 Eu bei Minor Label erwerben.
  ↑  Rob Sparx: Trooper (Z-Audio) 25.9.2009
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Leider gibt es in Deutschland nur wenige CD-Releases im Dubstep-Genre, welches Anfang des Jahrtausends in Süd-London aus Grime und Drum’n’Bass hervorging, und sich durch eine starke Betonung des Bass auszeichnet. Das vorliegende Longplay-Debüt von Rob Sparx ist so eine rare Ausnahme. Der seit Ende der 90er aktive Multi-Instrumentalist und DJ hat sich anfangs auf Drum’n’Bass konzentriert, in den letzten Jahren aber verstärkt seine Liebe zum Dubstep entdeckt, die nun auf "Trooper" beeindruckende Früchte zeitigt. Perfekt und sehr warm produziert, deckt es die breite Palette von Berührungspunkten des Dubstep mit anderen Stilen wie Dub, World Beats, Electro und Techno ab. Tempo und Intensität nehmen im Laufe des Albums immer mehr zu und münden in 2 fluffigen Drum’n’Bass Nummern.
Die limitierte Erstauflage kommt mit einer Bonus-CD daher, auf der Remixe (u.a. von und für Bar9 und Nero) sowie weitere Tracks von Rob Sparx enthalten sind.
  ↑  Fat Freddy’s Drop: Dr Boondigga & The Big BW (The Drop/Rough Trade) 7.8.2009
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Die seit 2001 bestehende neuseeländische Band ist in ihrer Heimat bereits ein angesagter Act, hierzulande hält sich der Bekanntheitsgrad aber noch in Grenzen. Vielleicht ändert sich das ja mit dem vorliegenden zweiten Album, denn es bietet eine überaus smoothe Fusion aus Soul, Funk, House, Dub und Reggae. Stilistik und Rhythmik wechseln oft innerhalb der Stücke, die dadurch trotz üppiger Längen zwischen 5 und 10 Minuten nie langweilig werden. Die Tracks sind nicht vordergründig zum Tanzen gedacht, laden in jedem Fall aber zum relaxten Mitwippen ein.
Highlight des Albums ist für mich der gut 10-minutige "Shiverman", der mit einem Killer-House-Groove beginnt, ab Minute 7 aber in eine Jazz-Polka übergeht. Hervorzuheben wäre auch noch Track Nr. 6, "The Camel", mit Gast-Duett-Sängerin Alice Russel.
  ↑  La Brass Banda: Übersee (Trikont/Indigo) 23.10.2009
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Bandname und Albumtitel klingen ja nach Süden und Weltoffenheit, musikalisch trifft das auf jeden Fall auch zu, die 2007 gegründete Band kommt aber aus dem tiefsten Bayern, und zwar aus dem Örtchen Übersee (!) aus dem Chiemgau. Wie der Bandname schon nahe legt, stehen Blasinstrumente (genau: Trompete, Posaune und Tuba) im Vordergrund. Dazu kommen lediglich noch Bass und Schlagzeug, auf Gitarre wird meistens verzichtet. Damit zaubern die 5 Jungs einen abwechslungsreichen Stilmix aus Balkan Beats, Ska, Reggae, Funk und Rock, der zu einem großen Teil gut ins Tanzbein geht und nachvollziehen lässt, dass sie beim Roskilde-Festival 2009 die Massen gut zum Abfeiern gebracht haben. Als weiteres Schmankerl singen sie auch noch auf bairischem Dialekt (nicht umsonst erscheint ihr 2. Album auf dem Label Trikont, auf dem ja u.a. auch Hans Söllner beheimatet ist).
Zum Albumende hin nimmt der Anteil an ruhigeren Stücken zu. Für meinen Geschmack hätten das aber 1, 2 weniger sein können, denn die bremsen etwas den Drive der ersten 2 Drittel aus.
  ↑  Rodrigo Y Gabriela: 11.11 (Rubyworks/PIAS) 4.9.2009
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Das selbstbetitelte Vorgängeralbum des mexikanischen und inzwischen in Irland lebenden Paares war eine der Überraschungen und persönlichen Highlights 2009 (s. Archiv). Entsprechend gespannt war ich auf das nun vorliegende neue Album, ihr mittlerweile 3. Studioalbum. Fazit: die Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Zwar fehlt nun der Überraschungseffekt und ihre musikalische Spielart haben sie auch kaum verändert bzw. erweitert, aber ihre Kunstfertigkeit auf der akustischen Gitarre und das Spiel mit Elementen aus süd- und mittelamerikanischer Folklore, Flamenco, Rock und Jazz ist immer noch erfrischend und beeindruckend. Live kommt das bestimmt noch etwas besser, wenn man den beiden bei ihrem virtuosen Spiel auch noch zusehen kann.
Der Titel des Albums rührt daher, dass sie jedes der 11 Stücke je einem Künstler gewidmet haben, der sie ihrer Art Musik zu machen inspiriert hat. Dabei sind natürlich bekannte Guitar-Heroes wie Santana, Hendrix, Al Di Meola und Paco de Lucia.
  ↑  The Heavy: The House That Dirt Built (Counter/Ninja Tune) 18.9.2009
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Bandname und Cover könnten auf eine Heavy Metal Band hindeuten. Damit liegt man aber nicht richtig, denn die britische Combo um Gitarrist Dan Taylor und Sänger Kelvin Swaby macht souligen Garagen Rock. Bereits das Debüt vor 2 Jahren hielt einige sehr gute Stücke bereit, von denen 1, 2 auch das Zeug zu Indie-Dancefloor Hits gehabt hätten, aber leider doch nur ein Geheimtipp blieben. Vielleicht ändert sich das ja mit dem vorliegenden 2. Album, auf dem sich die Band noch gereifter und vielseitiger zeigt. Die Stücke bewegen sich im magischen Dreieck von Garagen Rock der Marke White Stripes, Gospel-Soul-Beats a la Gnarls Barkley und Western-Musik (Morricone). Das ist schön abwechslungsreich und rundum gelungen. Besonders beeindruckt auch die Leistung von Sänger Swaby, der alle Stimmlagen vom röhrenden Rocker bis zum schmachtenden Soul-Crooner beherrscht.
  ↑  Biffy Clyro: Only Revolutions (14th Floor/Warner) 6.11.2009
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Vor gut 2 Jahren hatte es mir "Puzzle", das vierte Album des 1995 gegründeten schottischen Trios mit seinem emotionalen Alternative/Prog-Rock angetan (s.Archiv). Mit dem neuen Album habe ich mich anfangs aber etwas schwer getan, erst nach mehrmaligen Anhören ist es mir auch ans Herz gewachsen. Das Markenzeichen von "Puzzle", die gekonnte Symbiose aus treibenden Gitarrenriffs und harmonischen Melodien, findet sich auch hier wieder, ein paar Kanten wurden aber glattgebügelt, und auf Prog-Rock-Anleihen wird weitgehend verzichtet. Dafür wurde die Orchesterunterstützung ausgebaut. Das Album kommt damit eingängiger und bombastischer rüber, ohne aber anbiedernd zu wirken. Die Gesamtstimmung ist heller als auf "Puzzle", wo Sänger Simon Neil den Tod seiner Mutter verarbeitete. Auf den Open Airs in diesem Jahr dürfte die Band damit für richtig Party sorgen.
Im Vergleich zur wirklich grandiosen ersten Albumhälfte fällt die zweite zwar etwas ab, was den sehr guten Gesamteindruck aber nur wenig schmälert.
  ↑  Them Crooked Vultures: Them Crooked Vultures (RCA/Sony) 13.11.2009
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Nach Dead Weather (s. Archiv) eine weitere (neue) Rock-Supergroup 2009, die zu überraschen und gefallen weiß. In diesem Fall handelt es sich um das Trio Josh Homme (Queens Of The Stone Age) an Gitarre und Gesang, Jon Paul Jones (Led Zeppelin) am Bass und Dave Grohl (Nirvana, Foo Fighters) an den Drums. Als perfekt harmonierende Einheit zelebrieren sie einen kraftvollen, erdigen Rock, der die Stilistiken ihrer originalen Bands zusammenbringt: trockenen Wüstenrock, stampfenden Hardrock mit psychedelischen Momenten und Rock’n’Roll. Dabei gelingt ihnen eine gute Balance zwischen improvisiertem Jammen einerseits und Einhaltung von Songstrukturen andererseits.
Auch wenn mich der Gesang von Homme nicht immer überzeugt, eine Platte mit einigen großartigen Songs und 66 Minuten Spieldauer.
  ↑  Die Goldenen Zitronen: Die Entstehung der Nacht (Buback/Indigo) 16.10.2009
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Die seit 1984 bestehende Hamburger Band um die noch aktiven Gründungsmitglieder Schorsch Kamerun und Ted Gaier begann ja als reine Punk-Combo, hat sich aber seit Anfang der 90er musikalisch stetig weiterentwickelt, zuletzt sogar Richtung Avantgarde. Das hört man dem neuen, inzwischen 10. Album deutlich an, denn es ist eine 50-minütige irrwitzige und polternde Tour durch allerlei musikalische Stile: Postpunk, Krautrock, Reggae, Psychedelic, NDW, Electro und Weltmusik. Dazu kommen sarkastische, gesellschaftskritische Texte, die Schorsch Kamerun mit seinem markantem Sprechgesang vorträgt. Das Ganze endet mit einer Hommage an Syd Barrett in "Der Flötist an den Toren der Dämmerung" :-)
Das ist teilweise zwar ganz schön schräg, gibt dafür aber einen extra Sympathie-Punkt für die mutige Herangehensweise ...
  ↑  Wild Beasts: Two Dancers (Domino) 4.9.2009
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Das zweite Album der seit 2002 bestehenden englischen Band bietet einen wunderbar schillernden und leidenschaftlichen Indie-Pop, der seinesgleichen sucht. Markenzeichen ist das Falsetto von Sänger Hayden Thorpe, gelegentlich effektvoll kontrastiert durch die tiefere Stimme von Bassist Tom Flemming. Der Gesang bettet sich auf ein stimmiges Fundament aus flirrenden Gitarren, sanft pumpenden Bassläufen und abwechslungsreicher Percussion. Der Band gelingt dabei immer die Balance zwischen Eingängigkeit und Anspruch sowie zwischen Melancholie und Lebensfreude.
Der Falsett-Gesang ist für den einen oder die andere sicher gewöhnungsbedürftig, wer daran aber Gefallen findet, dem wird diese Platte großes Vergnügen bereiten.
  ↑  Piano Magic: Ovations (Make Mine Music/Cargo) 23.10.2009
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Das wechselnde britisch-französische Musikerkollektiv um Multiinstrumentalist und Sänger Glen Johnson existiert schon seit 1996 und hat fast jedes Jahr eine Platte veröffentlicht, aber erst jetzt bin ich durch eine Rezension des mittlerweile 10. Studio-Albums auf dieses Projekt aufmerksam geworden. Die Musik auf "Ovations" bewegt sich im Spektrum von mystischem und weltmusikalisch angehauchtem, Perkussion-betontem Neo Folk der Marke Dead Can Dance (dessen Sänger Brendan Perry denn auch bei 2 Songs mitmischt) und Dark/New Wave in der Tradition der Achtziger (The Smiths, The Cure, Nick Cave). Das hat viel Atmosphäre und ist von erhabener Schönheit. Die Grundstimmung ist zum größeren Teil melancholisch, aber nicht depressiv.
Eines dieser Alben, die perfekt für romantische Stunden in der kalten und dunklen Jahreszeit passen ...