Lauschbar 28 10. April 2005

PDF-Flyer: 410 KByte

Kasabian: Kasabian (BMG/RCA) 15.11.2004
Diese Platte war das erste Highlight dieses Jahres für mich. Das Debüt der 4 Briten besticht durch eine coole Mischung aus tanzbarem Electro Rock und ruhigeren psychedelischen Songs.
Kasabian erfinden das Genre dabei nicht neu, sondern versetzen den Hörer zurück in die Zeit der Raves Anfang der 90er, die von Bands wie den Happy Mondays, den Stone Roses und Primal Scream geprägt wurde. Insbesondere den Einfluß letzterer hört man auf dieser CD deutlich heraus. Da Kasabian dazu aber auch Anregungen anderer Vorbilder einfließen lassen – Big Beat a la Chemical Brothers, vertrackte Rhythmik a la DJ Shadow und vielschichtige Keyboard-Sounds a la Tangerine Dream – und einen charismatischen Sänger in ihren Reihen haben, ist ihnen ein eigenständiges Gesamt-Kunstwerk gelungen.
  ↑  Various Artists: Kammerflimmern O.S.T. (Colosseum) 14.2.2005
Als Fan von Blackmail, deren letzte Platte in LB 21 vorgestellt wurde, und die die Hälfte zu dem Soundtrack beisteuern, habe ich mal in den Soundtrack zu dem Film (seit 3.2. jn den Kinos) reingehört, ohne den Film gesehen zu haben – und wurde nicht enttäuscht. Mit ihren 8 Beiträgen unterstreichen sie ihre Stellung als eine der herausragendsten deutschen Rock-Bands. Neben schnellen, gitarren-getriebenen Alternative-Nummern in gewohntem Blackmail-Sound haben sie aber auch – dem Film angepaßt – ein paar ruhigere Songs mit Elektronik-Elementen geschrieben.
Die andere Hälfte des Soundtracks geht auf das Konto des mir bis dato unbekannten Dortmunder Produzenten, Remixer und Songwriters Lee Buddah. Dieser hat, aus dem HipHop kommend, bereits 2 Platten veröffentlicht (1997, 2000) und danach schon an diversen Soundtracks mitgearbeitet. Seine intelligenten Indie-Pop-Nummern (eine gesungen von Blackmails Sänger Aydo Abay) ergänzen sich gut mit den Songs von Blackmail und tragen somit wesentlich zu dem runden und abwechslungsreichen Gesamteindruck bei.
  ↑  Wedding Present: Take Fountain (Stickman/Indigo) 14.2.2005
Die britische Band um den Singer/Songwriter David Gedge gibt es bereits seit 1985 und blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Protegiert vom einflußreichen Radio-DJ John Peel und vom Niedergang der damals erfolgreichsten britischen Indie-Pop-Band The Smiths profitierend, erspielten sie sich mit ihrem schrammeligen Indie- Gitarren-Pop schnell die Gunst von Publikum und Musik-Kritik. Von 1987 bis 1996 veröffentlichten sie in wechselnden Besetzungen 6 Alben, bevor Gedge die Band 1997 auflöste, um sich voll und ganz seiner neuen großen Liebe und der gemeinsamen Band Cinerama zu widmen. Nun, nach 7 Jahren, ist die große Liebe vorbei und Gedge hat Wedding Present reaktiviert, um die gescheiterte Liebe zu verarbeiten. Dabei herausgekommen sind eine ganze Reihe von Indie-Pop/Rock-Perlen, die erwartungsgemäß durch einen schrammeligen Gitarrensound und die eigenwillige Stimme von Gedge geprägt sind, durch gelegentlichen Einsatz von Streichern und Hintergrundchören aber eine wohltuende Abwechslung und Milde erhalten, ohne dabei ins weinerliche abzugleiten.
  ↑  Bellcrash: Suzume Park (Sunshine/Soulfood) 31.1.2005
Als ich zum ersten Mal in diese Platte reinhörte, war das so einer der inzwischen selten gewordenen Momente, wo man unverhofft eine angenehme Überraschung erlebt. Denn mit welchem sicheren Gespür für Stil, Melodien und Groove die beiden Belfaster Mark Bell und Paul McMahon eine kurzweilige Melange aus Soul, Jazz, Funk, Latin, House und Electronica schaffen, ist schon ein Ohrenschmaus, insbesondere gleich der Opener "Open Minded" !-)
Dabei ist dies erst das Debüt des Duos. Allerdings haben sie einen Background als DJs in den Belfaster Clubs, dessen Szene nach dem langem Bürgerkrieg langsam zum Leben erwacht, wozu Mark auch als Clubbetreiber seinen Beitrag leistet. Daß man kein weiteres Lounge-Album zum Nebenbei-Hören produzieren, sondern ein Werk mit bleibendem Wert schaffen wollte, merkt man auch daran, daß es über einen langen Zeitraum von über einem Jahr entstand, und zum großen Teil live im Studio mit realen Instrumenten und Musikern eingespielt wurde, wobei die beiden auf die lokalen Talente der Stadt zurückgegreifen konnten.
  ↑  Various Artists: Russendisko, Hits 2 (Russendisko/BuschFunk) 5.3.2005
Wladimir Kaminer dürfte vielen ja kein Unbekannter mehr sein als Autor witzig-ironischer Geschichten über sein Leben in der ehemaligen Sowjetunion undüber seine Erlebnisse seit derÜbersiedlung nach Deutschland Anfang der 90er. Seit Jahren betreibt er in seiner neuen Wahl-Heimatstadt Berlin zusammen mit Yuriy Gurzhy auch die "Russendisko", in der sie dem Publikum mit heißen Rhythmen von Bands vornehmlich aus Rußland, Belorußland & der Ukraine einheizen. Dabei kommen weniger die Schlager aus der russischen Hitparade zum Einsatz, sondern Songs von Bands, die eher dem musikalischen Underground zuzuordnen sind. Bei den meisten ausgewählten Bands und Liedern ist der treibende Beat des Ska vorherrschend, der oft auf einer Wellenlänge mit traditioneller russischer Volksmusik liegt. Dazu kommen Elemente aus Rock, Punk, Reggae und Latin. Ein weiteres Markenzeichen der Lieder sind die oft absurden Texte, z.B. über eine Party im Flugzeug. Von denen wird der gemeine deutsche Hörer zwar nicht viel verstehen, aber der guten Laune und Tanzbarkeit der Songs wird er sich kaum entziehen können.
Nach dem ersten Sampler aus 2003 nun also die 2. Auflage mit teils schon bekannteren Bands wie Spitfire und Markscheider Kunst, aber auch vielen unbekannten Bands, die alle aber im ausführlichen Booklet vorgestellt werden, in dem Kaminer in seiner typischen verschmitzten Art und mit Augenzwinkern auch von dem vergeblichen Versuch erzählt, die "Russendisko" zu patentieren, denn "das geht doch nicht, daß jeder DJ-Arsch seine Mucke Russendisko nennen darf" :-)
  ↑  The Kills: No Wow (Domino/RoughTrade) 21.2.2005
Wie man vom Cover her schon erahnen kann, handelt es sich hier um ein Duo, bestehend aus der US-amerikanischen Sängerin Alison Mooshart und dem Londoner Gitarristen Jamie Hince. Beide machen seit 2001 zusammen Musik und legen nach ihrem 2003er Debüt nun ihren Zweitling vor, auf dem sie mit einer eigenständigen Version von Garagen- und Indie-Rock brillieren. Nach dem Motto "weniger ist mehr" sind die Kompositionen und die Instrumentierung auf das nötigste beschränkt: Gesang, Gitarre, Drum-Machine. Damit schaffen sie einen hypnotisch-repetiven Sound mit düster-heimeliger Atmosphäre, die wesentlich auch durch die warme Stimme von Alison geprägt wird.
  ↑  Roots Manuva: Awfully Deep (Ninja Tunes/RoughTrade) 31.1.2005
Dies ist das 3. Album des Briten mit dem bürgerlichen Namen Rodney Smith. Es bietet eine packende Mixtur aus HipHop, Dancehall und TripHop. Basierend auf einem fettem Sound und blubbernden Basslinien gelingt Smith dabei eine gute Balance zwischen poppigen Melodien und avantgardistische Elementen. Zusammen mit seinem markanten Sprechgesang, mit dem er seine bissig-ironischen Lyricsüber die Schwere des Lebens interpretiert, trägt dies zu dem besonderen Klangbild bei, mit dem Roots Manuva eine Klasse für sich selbst bildet, und das nicht mit dem herkömmlicher HipHop-Acts vergleichbar ist.
  ↑  Thievery Corporation: The Cosmic Game (ESL/Soulfood) 21.2.2005
Der 4. eigene Longplayer des Washingtoner Produzenten-Duos Rob Garza und Eric Hilton präsentiert uns die Meister des gepflegten Wohlklangs auf dem Höhepunkt ihres bisherigen Schaffens. Alle Stile und Mittel, mit denen sie auf den letzten Alben gearbeitet und experimentiert haben – elektronische Beats, Dub, brasilianischer Bossa, indi- sche Sitarklänge und Reggae-Rhythmen – all das wird zu einer einschmeichelnden und kurzweiligen musikalischen Reise um die Welt verarbeitet (auf der sie von vielen verschiedenen Gastsängerinnen und -sängern begleitet werden).
  ↑  Kissogram: The Secret Life Of Captain Ferber (Louisville/Universal) 1.11.2004
Dieses Debüt ist zwar schon im Herbst letzten Jahres erschienen, aber ich bin erst kürzlich auf sie gestoßen, gerade noch rechtzeitig für diese Lauschbar, denn die Platte verdient definitiv eine Vorstellung. Das Berliner Duo Jonas Poppe und Sebastian Dasse liefert darauf nämlich eine glamoureske Form von Retro- und Neo-Pop, die ihren Reiz vor allem auch aus dem lässigen, teils eigenwilligem Gesang bezieht. Schnellere, tanzbare Nummern im Stile von Dakar & Grinser oder Miss Kittin, die den Geist der 80er wieder herauf beschwören, wechseln dabei mit wavigen, melancholischen Stücken, die u.a. an Phantom/Ghost erinnern.
  ↑  Madrugada: The Deep End (Virgin/EMI) 14.3.2005
Eine dieser Bands, die mir ans Herz gewachsen ist, wie langjährige Hörer der Lauschbar (8, 12, 19) bestätigen können. Obwohl das 4. Album der Norweger für den Alt-Fan nicht viel Neues bietet – melodischen Rock mit Einflüssen aus Blues, Country, Psychedelik und (neu!) Flamenco, sowie die nachwievor unter die Haut gehende Stimme von Sänger Sivert Hoyem – habe ich es doch mit in die Lauschbar aufgenommen, da das letzte schon 3 Jahre her ist, und um auch die jüngeren Zuhörer mit dieser hervorragenden Band vertraut zu machen.
  ↑  LCD Soundsystem: LCD Soundsystem (DFA/EMI) 24.1.2005
Der führende Kopf dieses Projektes ist der New Yorker James Murphy (seines Zeichens auch Mitbetreiber des DFA Labels). Nach ein paar Singles aus dem Jahr 2002 (auf einer Zusatz-CD beigefügt) veröffentlicht er nun seinen ersten Longplayer. Offenbar wurde er in den 80ern musikalisch sozialisiert und besitzt auch eine breitgefächerte Plattensammlung, denn auf der CD kombiniert er frech Acid-House, Post-Punk, Garage-Rock und Psychedelika, wobei er es mit dem Eigenwillig- und Anders-Sein zuweilen etwas übertreibt.
  ↑  Das Pop: The Human Thing (Haldern Pop/Cargo) 8.11.2004
Der etwas merkwürdige Bandname erklärt sich dadurch, daß wir es hier nicht mit einer deutschen, sondern einer belgischen Band zu tun haben. Mit über einem Jahr Verspätung erscheint nun auch in D ihre zweite Platte, die verspielten, genre-übergreifenden und zuweilen skurrilen Indie-Pop bietet, wie man es von belgischen Bands ja schon gewohnt ist (Zita Swoon, Soulwax).
Der wunderschöne Opener "You", ist auf der deutschen Ausgabe (als Entschädigung für die Verspätung?) auch als Bonus-Track in einer deutschen Version enthalten.