Lauschbar 18 13. Oktober 2002

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Archive: You All Look The Same To Me (EastWest) 6.5.2002
Fast wäre diese CD in der Flut der Veröffentlichungen untergegangen, hätte da nicht der Rezensent einer Musikzeitschrift als Referenzgröße meine Lieblingsband Pink Floyd genannt. Und das wäre sehr schade gewesen, denn das 3. Album der seit 1994 existierenden britischen Band ist ein absolutes Meisterwerk!
Sowohl bei einzelnen Passagen aber auch vom ganzen musikalischen Ansatz her kommen in der Tat wohlige Erinnerungen an die grandiosen Alben Pink Floyds aus den 70ern auf. Dabei klingt Archive aber keineswegs wie ein simples Plagiat, vielmehr kreieren sie ihren ganz eigenen Stil, indem sie z.B. Elemente aktuellerer Stile wie TripHop und Electronica einfliessen lassen. So reichen die Stücke vom epischen und vielschichtigen 16-minütigen Opener über kleine stille Gitarrenlieder bis hin zu groovigen elektronischen Tracks. Eine Platte, die man am besten in Ruhe und in voller Länge auf sich wirken lässt.
  ↑  Interpol: Turn On The Bright Lights (Labels/Virgin) 16.8.2002
Die seit 3 Jahren bestehende Band kommt zwar aus N.Y.C., klingt aber eindeutig very british in bester Tradition der Gitarren-Wave-Pop-Bands der frühen 80er wie Joy Division oder U2. Ihr Debüt-Album ist geprägt von einem dichten und vielschichtigen Gitarrensound sowie einer emotional eindringlichen Stimme mit Moll-Grundton.
  ↑  The Music: The Music (Virgi) 30.8.2002
Das ist schon beeindruckend, was die 4 nordenglischen Jungspunde auf ihrem Debüt in Sachen Gitarren-Rock abliefern: auf der einen Seite rebellisch, stürmisch und unbekümmert, auf der anderen Seite aber auch wieder total abgeklärt und versiert. Treibende Gitarren-Grooves wechseln mit psychedelischen Eskapaden und der Sänger röhrt wie Robert Plant von Led Zeppelin...
  ↑  Tarwater: Dwellers On The Treshold (Kitty-Yo/EFA) 30.8.2002
Mir bisher nur durch Beiträge auf diversen Samplern bekannt, nutzte ich einen Aufenthalt in Berlin, um die CD-Release-Party zu besuchen und diese interessante Band näher kennenzulernen. Und mein bisheriger guter, aber lückenhafter Eindruck wurde auch nicht enttäuscht:
das seit 1981 existierende Berliner Electronic Avantgard-Duo Bernd Jestram & Ronald Lippok bot – verstärkt durch einen Gitarristen und zeitweise durch afrikanische Percussionisten (!), sowie visuell unterstützt durch psychedelische Filmkollagen – einen anspruchsvollen Pop, der oberflächlich gehört ruhig und unspektakulär daherkommt, aber voller Klangideen steckt und eine knisternde und hypnotisierende Spannung aufbaut.
Das Ambiente dieses Abends kann die CD zwar nicht konservieren, wohl aber die faszinierende Musik...
  ↑  Cinematic Orchestra: Everyday (Ninja Tune) 13.5.2002
Das britische Projekt um den Komponisten, Programmierer und Multi-Instrumentalisten Jason Swinscoe festigt mit seinem neuen Album (nach dem 99er Debüt "Motion") seinen Ruf als avantgardistische Jazz-TripHop Combo. "Everyday" klingt dunkel und teilweise etwas verwirrend, hat aber auch viel Soul und warme Melodien.
  ↑  Thievery Corporation: The Richest Man In Babylon (ESL) 30.9.2002
Der 3. Longplayer des Washingtoner Duos Garza/Hilton erreicht nicht ganz die Klasse des Vorgängers "Mirror Conspiracy" von vor 2 Jahren (LB 10). Insbesondere die 1. Hälfte plätschert etwas vor sich hin. Der 2. Teil aber enthält einige sehr schöne, locker groovende Downbeat-Tracks mit brasilianischen, indischen und jamaikanischen Einflüssen.
  ↑  Morcheeba: Charango (WEA) 1.7.2002
Nach dem Ausflug in Disco- und House-Gefilde auf ihrem letzten Album "Fragments Of Freedom" aus dem Jahr 2000 (LB 9), kehrt die Londoner Combo auf ihrem neuen Album zum psychedelisch angehauchten, melancholiegetränkten TripHop-Sound ihrer ersten beiden Alben (insbesondere vom 98er "Big Calm") zurück, ohne aber die Luftigkeit von "Fragments" ganz aufzugeben. Und so ist es wieder mal fast unheimlich, mit welcher scheinbaren Leichtigkeit das Soundtüftler-Brüderpaar Godfrey und Sängerin Skye Edwards mit ihrer samtweichen Stimme einen Ohrwurm nach dem anderen in unser Gehör winden. Das Album ist mit Streichern, Bläsern und Chören sehr opulent instrumentiert und weist die Morcheeba-typischen Sampler-Effekte auf. Nur im Mittelteil (Titeln 7 u. 8) gibt es einen kleinen Durchhänger, ist man etwas arg seicht und belanglos. Sehr gelungen hingegen wieder die Duette mit den Rappern Slick Rick und Pace Won sowie mit Lambchop-Sänger Kurt Wagner.
  ↑  Aphrodite: Aftershock (V2/Zomba) 24.6.2002
Auch wenn "Aftershock" sicher nichts wesentlich Neues in Sachen Drum’n’Bass bietet, feinste Abtanz-Mugge für die Fans dieses Genres ist es allemal:
rollende Drum-Loops, mächtige, blubbernde Basslinien und jede Menge HipHop- & Ragga-Samples treiben die Tracks voran und werden durch Anleihen aus Brazil, Funk und Asian Vibez aufgelockert.
  ↑  The Streets: Original Pirate Material (Locked On/WEA) 29.4.2002
The Streets – das ist der 22-jährige Mike Skinner aus Birmingham. Sein Debüt – ein eklektizistischer Mix aller möglichen Spielarten britischer Club-Musik: House, Garage, Rocksteady, HipHop... besonders liebreizend ist dabei sein im South-London-Slang vorgetragener Sprechgesang, in dem er witzige Geschichten aus dem Leben seiner Generation erzählt.
  ↑  DJ Shadow: The Private Press (MCA) 3.6.2002
Der Kalifornier Josh Davis, der auf dem Label Mo’Wax sein 96er Debüt und eine Reihe von EPs veröffentlichte sowie bei der TripHop-Supergroup U.N.K.L.E. mitmischte, legt nun auf MCA seinen 2. Longplayer vor.
Vom HipHop seiner Anfangsjahre ist darauf nicht mehr viel zu hören, vielmehr geht er hier in Richtung TripHop, experimenteller Downbeats und ambienter Breakbeats zur Sache.
  ↑  Diary Of Dreams: Freak Perfume (Accession) 3.6.2002
Dies ist das 6. Album der herausragenden deutschen Electro-Dark-Wave-Formation um Mastermind Adrian Hates. Auch wenn sie über die Jahre hinweg ihren Stil nur wenig geändert haben, geht jedes Album, und so auch dieses neue, emotional tief unter die Haut. Das liegt an den warmen Melodien, treibender Rhythmik, stimmungsvollen Athmosphären, vor allem aber am tiefen, ausdrucksstarken Gesang von Adrian. Der Grundton ist natürlich schwermütig-melancholisch – und damit passend zum Herbst – aber immer auch kraftvoll, nicht depressiv. Ein Markenzeichen von DoD sind die anspruchsvollen Lyrics, zum großen Teil in English, in denen Hates über die düsteren Seiten seines Lebens und der Menschheit sinniert, ohne dabei in die in diesem Genre oft vorzufindenden Klisches abzugleiten. Die Poesie z.B. eines "Traumtänzers" ist einfach unglaublich ergreifend und erhaben ...
  ↑  In Strict Confidence: Mistrust The Angels (Sony) 3.6.2002
"Variantenreicher, experimenteller Electro-Mix, der sowohl das Traum-Zentrum als auch die Tanzbeine animiert. Düster, geheimnisvoll, traumverhangen, aber auch packend, kraftvoll und wild." (Zillo)
Zuweilen etwas zuviel Klische und teutonischer Charme, sehr ergreifend aber die chansonhaften Lieder mit Frauengesang in Französich.