Lauschbar 32 07. Mai 2006

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Electric President: s/t (Morr Music) 13.1.2006
Diese Platte war die erste positive musikalische Überraschung des Jahres für mich. "s/t" ist das Debüt-Album des Duos Ben Cooper & Alex Kane aus Florida, auf dem sie zusammenbringen, was erst mal ungewönlich erscheint: elektronische Frickeleien und Singer/Songwriter-Kunst. Doch den beiden gelingt das mühelos und überzeugend. Mit ihrem Notebook, ein paar Instrumenten und einer angenehmen, jungenhaften Stimme erschaffen sie prickelnde Songs von eindringlicher Schönheit, die Raum und Zeit zum Entdecken vieler interessanter Effekte und musikalischer Spielereien lassen und erfordern.
Fans von Death Cab For Cutie werden – ungeachtet des elektronischen Unterbaus – sicher auch an dieser Platte ihre Freude haben.
  ↑  Mogwai: Mr. Beast (Rock Action/Pias) 3.3.2006
Seit ihrem 97er Debüt "Young Team" verfolge ich mit Interesse den Output dieser Post-Rock-Band aus Glasgow. Mit schöner Regelmäßigkeit veröffentlichte sie bisher ca. alle 2 Jahre ein neues Album, von denen auch schon ihr drittes Werk "Rock Action" aus dem Jahre 2001 in der Lauschbar (13) vorgestellt wurde. Nun also der fünfte Streich. Dieser zeigt die Schotten auf dem Höhepunkt ihres bisherigen Schaffens. Das Markenzeichen der Vorgänger-Alben – bedächtig, mittels multipler Gitarrenphrasen aufgebaute monumentale Soundgebirge – ist auch hier noch vertreten, jedoch kommt jetzt auch das Piano nicht mehr zu kurz und die Songs sind noch besser auf den Punkt gebracht. "Selbst wenn es lauter wird, flechtet die Band reichlich Pop-Appeal in ihr kontrolliertes Unwetter, das immer wieder Ruhepausen läßt, in denen der eben noch prasselnde Regen an den Blatträndern abtropft." (Visions)
Absolut genial das zentrale sechste Stück "Friend Of The Night" !
  ↑  Yeah Yeah Yeahs: Show Your Bones (Polydor/Universal) 24.3.2006
Das zweite Album der Yeah Yeah Yeahs hat mich unerwarteterweise doch stark vom Hocker gerissen, denn mit dem hochgelobten Debüt "Fever To Tell" aus dem Jahre 2003 bin ich seinerzeit nicht so recht warm geworden. Der Kritiker vom Visions hat diesen Effekt ganz treffend wie witzig vorausgesagt: "’Show Your Bones’ hält für diese Leute (wie mich) folgenden hundsgemeinen Trick parat: es wird auch sie kriegen! Vielleicht im Radio, vielleicht auf einer Party. Und dann kann man nur stumm in der Ecke stehen, den Kopf vor die Wand knallen und sich schämen, daß man diesen Dreier aus New York bislang ignoriert hat." :-)
Man ist geneigt, ihre Musik als Art Punk zu bezeichnen, was aber ja ein Widerspruch in sich ist, denn Punk – zumindest an seinem Ausgangspunkt in den 70ern – will ja gerade keine Kunst sein. Dennoch, die Songs haben die Ungestümheit und Direktheit des Punk, aber auch ausgefeilte, durchdachte Arrangements, die man nur als Kunst bezeichnen kann. Wohldosierte Gitarrenriffs, eine ausgefuchste Rhythmusarbeit an den Drums, und eine charismatische Stimme, hier von Sängerin Karen O, – mehr braucht das Trio nicht, um eindrucksvolle Rock-Songs zu zaubern, die zum Ende der Platte hin etwas ruhiger und akustischer werden.
Wer die Stimme von Karen O nicht so mag, wird vielleicht nicht den Zugang zu der CD finden, die anderen erwartet ein spannendes Hörvergnügen, das teilweise auch gut in die Beine geht ...
  ↑  Blackmail: Aerial View (City Slang/Rough Trade) 13.1.2006
Gestandene Lauschbar-Hörer werden wissen, daß ich ein Fan dieser Band aus Koblenz bin, denn die beiden Vorgänger-Alben "Bliss, Please" aus dem Jahr 2001 und "Friend Or Foe" aus 2003 sowie der Soundtrack zu "Kammerflimmern", an dem die Band zur Hälfte beteiligt war, wurden bereits in Lauschbars vorgestellt. Und auch das vorliegende 6. Werk hat es wieder locker in die Lauschbar-Auswahl geschafft. Es ist einmal mehr beeindruckend, wie die Band eine Gitarrenrock-Hymne nach der anderen aus dem Ärmel schüttelt, die sowohl mit treibenden Gitarren-Riffs zupacken als sich auch mit eingängigen Melodien und dank der besonderen Stimme von Sänger Aydo Abay ins Gehör einschmeicheln. Verschiedene musikalische Einfälle sorgen für die notwendige Abwechslung, wie z.B. der Bläser-Einsatz im Ska-artigen Finale von "Couldn’t Care Less".
Inhaltlich-stilistisch kann man die neue zwischen den beiden oben genannten Scheiben einordnen: nicht so poppig-verspielt wie "Bliss, Please", aber auch nicht so ruppig und rauh wie "Friends Or Foe".
  ↑  Infadels: We Are Not The Infadels (Wall Of Sound/Pias) 10.2.2006
Wer Dance-Rock-Acts wie The Faint, Kasabian oder Hard-Fi mag, wird definitiv auch an diesem Debüt der britischen Combo Gefallen finden. Die Platte enthält ein paar Dancefloor-Kracher per excellance, deren Groove man kaum widerstehen kann. Sehr schön auch das smoothe "Murder That Sound", das mit 80er-Jahre Coolness aufwartet.
  ↑  Adam Green: Jacket Full Of Danger (Rough Trade) 10.3.2006
Gerade mal ein Jahr nach dem Album "Gemstones", mit dem ihm – zumindest in Deutschland – der musikalische Durchbruch gelang, legt Adam Green eine neue, seine mittlerweile vierte Platte vor. Diese knüpft nahtlos an den Vorgänger an, mit dem er einen Image-Wechsel vom introvertierten Folk-Nerd (noch schön zu hören auf der 2. CD "Friends Of Mine", LB 22) hin zum Pop-Entertainer vollzogen hatte. Wieder erzählt er in seinen kurzen, um die 2 Minuten dauernden Songs skurrile Geschichtenüber die Absurditäten des Alltags. Die Lieder sind wie gewohnt vielseitig und abwechslungsreich arrangiert, seine eh schon geniale Stimme klingt teilweise tiefer und noch eindrucksvoller als sonst, und er bietet ein paar von ihm noch nicht gehörte Gimmicks, wie z.B. brummelige Mantra-Chöre und rockige E-Gitarren.
Green ist mit dieser CD endgültig dem Underground entstiegen, aber immer noch schrullig genug, um nicht zum Mainstream zu gehören ... und das ist gut so !
  ↑  Salif Keita: M’Bemba (Emarcy/Universal) 27.1.2006
Freunden der Weltmusik dürfte der Sänger und Komponist aus Mali kein Unbekannter sein.
Geboren 1949, spielte er ab 1967 zunächst in diversen Bands in Afrika, bevor er 1984 nach Paris zog, um seine beeindruckende Solo-Karriere in Angriff zu nehmen, die 1987 mit dem Album "Soro" begann, auf dem er Einflüsse aus afrikanischer Folklore, Jazz, Soul, Funk und Euro-Pop verarbeitete. Nach Ausflügen in elektronische Gefilde besinnt er sich mit dem neuen Album wieder auf seine afrikanischen Wurzeln zurück. Die in Mali’s Hauptstadt Bamako auf rein akustischer Basis eingespielte Platte enthält sowohl beschwingte Dancefloor-Nummern als auch epische Stücke mit Frauenchören.
  ↑  Coldcut: Sound Mirrors (Ninja Tune/Rough Trade) 27.1.2006
Das britische DJ- und Produzenten-Duo More & Black war in den 90ern einer der Vorreiter innovativer moderner Club- und Dancefloor-Musik. Nach dem bislang letzten Album "Let Us Play" aus dem Jahr 1997 haben sie sich auf den Betrieb ihres Labels Ninja Tune (u.a. Herbaliser) konzentriert, und wollen es nun, nach 8 Jahren, der nachrückenden BreakBeat-Generation noch einmal zeigen. Zwar bieten sie nichts bahnbrechend Neues mehr, aber die stilistisch abwechslungsreiche Platte mit interessanten Gast-Sängern (u.a. Roots Manuva) ist auf höchstem Niveau, druckvoll und mit viel Herzblut produziert.
  ↑  Ugly Duckling: Bang For The Buck (All City/Pias) 3.3.2006
Das bleichgesichtige HipHop-Trio aus Kalifornien hat mit Gangsta-Rap und dem protzigen Getue des Mainstream-Rap nicht viel am Hut. Sie wollen mit ihrer Musik einfach viel Spaß haben und verbreiten. Stilistisch stehen sie dabei in der Tradition der vom Funk kommenden HipHop-Großväter wie De La Soul und A Tribe Called Quest.
Schöne Arschwackel-Platte, der nur zum Ende hin etwas die Luft ausgeht.
  ↑  Kano: Home Sweet Home (679/Warner) 17.2.2006
Beeindruckendes Debüt des erst 19-jährigen Londoners, das man im weitesten Sinn dem HipHop zuordnen kann. Durch Verwendung von Elementen aus Electro, Drum’n’Bass, Rock und Reggae, sowie durch wechselnde Tempi, Rap-Stile und Rapper, ist die Platte jedoch extrem kurzweilig und hebt sich damit und auch aufgrund der sozialkritischen Texte wohltuend vom Mainstream-Rap ab.
Gefällt mir auch deutlich besser als das neue Album von The Streets, zu dem teilweise stilistische Parallelen gezogen werden können.
  ↑  :Wumpscut:: Cannibal Anthem (Betonkopf Media/Soulfood) 7.4.2006
Das Projekt :Wumpscut: wurde 1991 vom Münchner DJ Rudy Ratzinger initiiert und konnte sich schnell mit Hits wie "Soylent Green" in der Gothicszene etablieren. Sein Markenzeichen: harsche Electro- und Industrial-Beats sowie verzerrter Gesang mit den in der Szene üblichen düsteren Themen. 2001 erregte er mit einem Track namens "Ruda" Aufsehen, da ein gleichnamiges Pärchen einen Satanistenmord beging, was die Bild-Zeitung dazu nutzte, sich über die Gothic-Szene auszulassen.
Nachdem die beiden letzten Alben eher poppig-technoid geraten waren, geht er auf dem neuen wieder mehr zurück zum EBM und Industrial. Beat-technisch, mit Anleihen beim BreakBeat, klingt das über weite Strecken ziemlich cool und spannend, leider verspielt er mit den zum Teil banalen, deutschen Texten und dem Gesang – mal gewohnt verzerrt vom Meister selber, mal durch eine hohe Frauenstimme – viel Potential. So ist denn auch das einzige Instrumental der Platte – "Auf der Jagd" – das beste Stück der CD.
  ↑  Sophie Zelmani: A Decade Of Dreams (Sony/BMG) 13.1.2006
Auf die schwedische Singer/Songwriterin bin ich vor 2 Jahren aufmerksam geworden, als ihr bislang letztes, fünftes Album "Love Affair" erschien. Es beeindruckte mit wunderschönen Lagerfeuer-Romantik-Liedern und durch die sinnlich-samtene Stimme der schönen Sängerin.
Der Albumtitel verrät, daß es sich bei "Decade" um eine Rückschau auf die ersten 10 Jahre ihrer musikalischen Karriere handelt. Es enthält aber auch 3 neue Lieder und 2 Neueinspielungen. Eine schöne Platte zum Kennenlernen von Sophie’s Kunst.