Lauschbar 26 03. Oktober 2004

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Keane: Hopes And Fears (Motor) 10.5.2004
Keane, mir bis dahin unbekannt, war die erste Band, die wir während des Highfield-Festivals am frühen Freitag abend sahen und hörten. Die Zelte waren errichtet, eine Flasche Johannisbeer-Likör und einige Bier hatten schon den Weg durch unsere Kehlen genommen, der Regen hatte aufgehört: es konnte losgehen ... Und Keane waren der perfekte Auftakt! Wie sie nur zu dritt, ohne Gitarre, einen dichten Piano-Sound und unter die Haut gehende Songs hervorzauberten, war schon beeindruckend. Erinnerte irgendwie an eine softe Variante von The Muse, aber auch an Travis, was die einschmeichelnden Melodien betrifft.
Die 3 Jungs aus Südengland spielen zwar schon seit ihrer Schulzeit 1997 zusammen, dies ist aber erst ihr Debüt-Album. Eine Platte mit sehr viel Gefühl, nur die schmachtende Stimme des Sängers ist manchmal etwas zu viel des Guten.
  ↑  Mark Lanegan: Bubblegum (Beggars Banquet) 2.8.2004
Mark Lanegan war die zweite Überraschung des Highfield-Festivals für mich (s.a. Keane). Es war am frühen Samstagnachmittag, ich lag gerade zu einem verdienten Nickerchen unter den Bäumen, als eine ungewohnte, von Rauch und Whiskey geschwängerte Stimme, die mich an Tom Waits und Rob Dougan (LB20) erinnerte, zunächst noch im Unterbewusstsein in mein Gehör drang und mich zunehmend fesselte. Wie ich später erfuhr, ist Lanegan aber keineswegs ein Unbekannter, hat der 40-jährige in den 80ern und 90ern doch schon in der Grunge-Rock Band Screaming Trees und später bei den Queens Of The Stone Age gespielt und auch schon 5 Soloalben vorgelegt.
Während er mit den Bands bisher immer drauflos rockte und seine Soloalben im Gegensatz dazu immer stille Singer-/Songwriter-Werke waren, vereint er nun auf seinem 6. Album beide Seelen auf einer Platte, die dadurch sehr abwechslungsreich geraten ist.
  ↑  J.J.Cale: To Tulsa And Back (Sanctuary) 18.6.2004
Schon seit vielen Jahren mag und schätze ich diesen gestandenen Musiker für seinen wohltuend unspektakulären, immer relaxt groovenden Blues- & Southern-Rock. Nach 8 (!) Jahren hat er nun wieder ein neues Album - sein mittlerweile 13. – herausgebracht, welches mir die Gelegenheit gibt, ihn auch mal in der Lauschbar vorzustellen.
Der 1938 in Oklahoma City geborene und in Tulsa (Oklahoma) aufgewachsene Cale veröffentlichte 1971 sein 1. Album, auf dem auch "After Midnight" enthalten war, das später in der Version von Eric Clapton zu einem Hit avancierte (was ebenso für "Cocaine" vom 4. Album aus dem Jahre 1976 zutrifft). Über die Jahre hat er seinen Stil kaum verändert, seine Kunst besteht vielmehr darin, durch Tempi-Wechsel sowie wechselnde Instrumentierungen – hier eine Geige, dort ein Bläsereinsatz oder ein Vibraphon – Abwechslung in seine Musik zu zaubern. Seine Songs klingen alle zwar sehr entspannt, beinhalten z.T. aber auch ersthafte Themen wie Umweltzerstörung und Machtmißbrauch.
  ↑  Benjamin Biolay & Chiara Mastroianni: Home (Labels/Virgin) 18.6.2004
Der in Frankreich als Retter des Chanson u. Erbe von Serge Gainsbourg gehandelte Biolay und seine Frau, die Tochter von Catherine Deneuve & Marcello Mastroianni, haben nach 2 Soloalben von Biolay nun ihr 1. gemeinsames Album aufgenommen. Zwischen sanften Folkklängen und rockigen Gitarrenriffs hauchen sie ihre intimen Songs ins Ohr der Hörer.
  ↑  Sofaplanet: Power To The Poeble (Wannsee/edel) 23.8.2004
Vor 3 Jahren hat das Berliner Trio mit ihrem Hit "Liebficken" die Musiknation gespalten. Mit dem neuen Album wird es wahrscheinlich nicht anders sein. Zwar sind die Texte nun etwas subtiler, aber an ihrer Reimkunst werden sich die Gemüter sicher wieder erhitzen. Musikalisch bietet die Platte aber auf jeden Fall gut gemachten Gitarren-Rock-Pop-Punk irgendwo zwischen den \216rzten und den Sportfreunden.
  ↑  Quincy Jones & Bill Cosby: The New Mixes (Concord Records) 23.7.2004
1969, während u. zwischen Cosby’s TV-Comedy-Shows, jammte Jones’ hochkarätige Band locker vor sich hin, eine Bandmaschine lief zufällig mit und 25 Jahre später erschienen nun die "Original Jam Sessions" sowie, zeitgleich, die "New Mixes", auf denen sich zeitgenössische Club-Musiker des Materials annahmen und es – mehr oder weniger dezent – mit modernen Stilmitteln aufpeppten. Ergebnis ist eine extrem groovige Soul-Jazz-Funk-BigBeat-Mugge.
  ↑  Dublex Inc.: Eight Ears (Pulver/SIB) 14.6.2004
Dies ist erst das Debüt des Stuttgarter Quartetts, aber die 4 sind beileibe keine unbeschrieben Blätter mehr, touren sie doch schon seit Jahren als DJs durch die Welt, betreiben das Pulver Label und haben auch schon einige Sampler-Beiträge und Singles am Start. Entsprechend reif und rund ist der LP-Einstand mit einem schönen Mix aus Downbeats, NuJazz, House, Latin und Reggae.
  ↑  Freestylers: Raw As F**K (PIAS/Rough Trade) 28.6.2004
Man darf sich von dem ekligen, Rammstein-würdigen Cover nicht abschrecken lassen, denn auf ihrem 3. Album bietet die britische Formation wieder eine, ihrem Namen Ehren machende, abwechslungsreiche Dancefloor-Mischung aus Electro, Drum’n’Bass und Dancehall, die gar nicht so roh ist, wie es der Titel ankündigt.
  ↑  The Roots: The Tipping Point (Geffen/Universal) 12.7.2004
Das 6. Album des ambitionierten Rap-Projekts aus Philadelphia gibt sich wieder eingängiger als der von den Kritikern hochgelobte, aber (für mich) nur schwer zugängliche Vorgänger "Phrenology". Intelligenter Rap mit Anleihen bei Soul & R’n’B. Das Cover zeigt übrigens das Knastfoto des Bürgerrechtlers Malcolm X, für den der Gefängnisaufenthalt zum persönlichen Wendepunkt wurde.
  ↑  The (International) Noise Conspiracy: Armed Love (Burning Heart/SPV) 12.7.2004
Das 3. Album der seit 1998 bestehenden schwedischen Band, die sich als radikaler Kämpfer für eine sozialistische Zukunft versteht, bietet wieder gut abgehenden Garagen-Punk-Rock, der dank Orgel-Einsatz einen sexy 60er-Jahre-Retro-Appeal besitzt. Die Texte handeln nicht mehr nur von Politik und Protest, sondern auch von privaten Problemen, die ein Teil der Bandmitglieder zu verarbeiten hatte.
  ↑  Lake Of Tears: Black Brick Road (Noise/Sanctuary) 30.8.2004
Das 6.Album der 1992 gegründeten schwedischen Band, die sich 2001 zwischenzeitlich schon einmal aufgelöst hatte, bietet kraftvollen, schweren Rock der Marke Paradise Lost und Tiamat mit einer Prise Psychedelik, eingängigen Melodien und atmosphärischen Sound-Scapes. Von der Grundstimmung her melancholisch, aber nicht depressiv.
  ↑  Radio 4: Stealing Of A Nation (City Slang/EMI) 6.9.2004
War der von den Kritikern gelobte Vorgänger "Gotham" noch dem Post-Punk zuzuordnen, so verschreibt sich die seit 1999 bestehende Band aus New York auf ihrem 3. Album nun dem Dance-Rock a la Primal Scream. Trotz der gewollten Tanzbarkeit enthalten die Texte auch ernste politische Themen. Sehr groovig, auf die Dauer aber etwas eintönig.